Über den Suizid reden

Dass es wichtig ist, über den Suizid zu reden, weiß jeder (vgl. Art „der Lebenswert“ vom 01.02.2020). Es ist aber auch gefährlich und das aus zwei Günden:

Ich gefährde mich selbst – meinen Ruf. Wenn man das Wort „Suizid“ in den Mund nimmt, wird man misstrauisch beäugt und der stumme Ankläger hat schon den passenden Stempel mit der Aufschrift „psychisch krank“ parat. (1) Meine Stirn ist jedenfalls schön bunt.

Egal, auch in der Schublade „psychisch krank“ kann man es sich bequem einrichten. Was wirklich gefährich ist, ist der Effekt, den eine falsche – im Sterbehilfediskurs oft suizidverherrlichende – Redeweise auf den Leser / die Leserin hat. Der Werther-Effekt (2) beschreibt jenes Phänomen: Nachdem Goethe sein Buch „Die [suizidalen Anm. d. Red.] Leiden des Jungen Werhes“ publiziert hatte, gab es einen signifikaten Anstieg der Suizidraten. Viele trugen dabei die Tracht ihres Stilikones (siehe Bild unten). Oh Gott, ich habe jede Seite gehasst, in der ich mich durch dieses schmierige Selbstmitleid wühlen musste und ich glaube, allein diese Langweile der Schullektüre hat eine suizidinduzierende Wirkung. Warum lässt das Bildungsministerium Teenager ein Buch lesen, das eine wissenschaftlich bestätigte toxische Wirkung auf die Psyche hat? Warum?!

Als ich noch evangelische Theologie an der HU Berlin studiert habe (3), hätte ich es schön gefunden, wenn man sich mit wisschenschaftlichen Knowhow und christlicher Weisheit diesem heiklen Thema angenommen hätte. Leider gibt es kaum evangelische Theologen, die zum Thema „Suizid“ publiziert haben. Eigentlich nur Bonhoeffer und Luther, soweit ich weiß. (3) Ich finde die Beschäftigung mit dem Suizid fruchtbar, weil ich glaube, dass gerade in dieser schwarzen Tiefe wirkliche Antworten auf die großen Fragen der Menschheit liegen. Wo, wenn nicht dort? Dort begegne ich der „Logotherapie und Existenzanalyse“ von Viktor Frankl, dem ich schleunigst einen Artikel widmen will.

Werthertracht. Sehr hübsch.

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(1) Mit der Diagnose eines in weiß gekleideten Arztgotts wird dann sogleich die Telnehmeberechtigung am gesellschaftlichen Diskurs entzogen. Schnell wird man vom denkenden Subjekt zum zu therapierenden Objekt „Patient“!

(2) Methodisch unsaubere Quelle: Wikipedia. 🙂

(3) Ich habe ewig und drei Tage evangelische Theologie an der HU Berlin studiert. Am Ende hatte ich keinen Abschluss aber die Erkenntnis: Theologen denken sich sehr gern Fragen von Theologen für Theologen aus und plätschern dann munter in ihrer vergeistlichen Blase. Ein Thema mit gesellschaftlicher Relevanz wie der Suizid erfährt vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit.

Bildquelle: https://smb.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=61583.

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